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Lidl Plus - oder der gläserne Discounter-Kunde

Lidl Plus - oder der gläserne Discounter-Kunde

Wie viel bin ich für Bequemlichkeit, Sonderangebote oder das Gefühl der individuellen Betreuung bereit von mir preiszugeben? Diese Frage sollte man sich stellen, bevor man sich beim nächsten Wocheneinkauf vorschnell die digitale Kundenkarte Lidl Plus zulegt.

Als Datenschützer durchlebt man gerade turbulente Zeiten. Auf der einen Seite ist er in seit gut einem Jahr durch die DSGVO in aller Munde und viele Unternehmen, die sich noch nie ernsthaft damit beschäftigt haben, nehmen das Thema nun ernst(er) – wenn oft auch lediglich aus Angst vor Sanktionen. Aber immerhin, es tut sich was. Auf der anderen Seite versuchen immer mehr Big Player so viele personenbezogene Daten und Informationen wie möglich von (potenziellen) Kunden zu bekommen um umfangreiche Profile anzulegen.

Aktuellstes Beispiel ist der Discounter-Riese Lidl. Mit Lidl Plus ist für 2020 eine deutschlandweite digitale Kundenkarte geplant, die individuell auf die Bedürfnisse der Karteninhaber eingeht und Rabatte verspricht. Seit dem 13. Juni gibt es in Berlin und Brandenburg bereits eine Testphase und in den Nachbarstaaten Spanien Dänemark, Polen und Österreich gibt es diese Art von „Kundenservice“ teilweise schon seit 2016.
Gekaufte Produkte, Vorlieben, Einkaufszeiten und Standortdaten werden ausgewertet und es wird daraus ein individuelles Profil für den einzelnen Konsumenten gebildet. Jeder Kunde kriegt so maßgeschneiderte Angebote - ganz bequem per App aufs Smartphone.
Apropos Smartphone - durch die integrierte Geolokalisierung gibst du als Nutzer des Dienstes auch preis wo du dich befindest. Ob im Kino mit den Liebsten oder halt in der Nähe eines Marktes - Lidl Plus weiß Bescheid. Du hast letzte Woche einen Grill gekauft? Ab jetzt wirst du vermutlich vermehrt Angebote für Grillfleisch und Kohle bekommen.

Was auf den ersten Blick nach praktischem Service klingt und uns schon durch Amazon und Co. mehr als vertraut ist, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als explosives Pulverfass für das Recht auf die eigene Privatsphäre. Wer sieht da meine Daten ein und was für Schlüsse können daraus gezogen werden?
Holen wir dafür etwas weiter aus: In Ländern wie den USA oder China ist es mittlerweile nicht ungewöhnlich, dass die mächtigen Unternehmen vor den Betroffenen selbst wissen, dass man schwanger ist oder eine Krankheit hat. Möglich machen das die Analyse und Auswertung des geänderten Konsumverhaltens, sprich das Profiling der Kunden. Eine junge Frau kauft plötzlich statt wie gewöhnlich Tiefkühllasagne und Chips mehr Obst und Gemüse und der Algorithmus erkennt noch vor jedem Schwangerschaftstest, dass dafür nur der geänderte Hormonhaushalt verantwortlich sein kann. Auch lässt sich oft eine (politische) Gesinnung aus dem Warenkorb ableiten. Greift man verstärkt zu Bio-Chia-Samen, Energiesparlampen und Veggie-Fleischersatz, ist man den Grünen womöglich näher als der CDU.
Und wie wertvoll solche Daten sein können, weiß man spätestens seit dem Cambridge-Analytica-Skandal und der Wahl von Donald Trump.

Die Liste lässt sich beliebig fortführen. Sexuelle Aktivität, Nikotinsucht, das Trinkverhaltenund nicht zuletzt die Entwicklung des Einkommens und der Gesundheitszustand – all das und viel mehr lässt sich durch die Auswertung des Kaufverhaltens von beispielsweise Kondomen, Zigaretten, Wein, Luxusgütern und Nahrungsergänzungsmitteln zu einem aussagekräftigen Profil vervollständigen.
Wie praktisch, dass so ein Discounter so ziemlich alles in der Produktpalette hat. Der abgedroschene Begriff des gläsernen Bürgers – oder hier Kunden – drängt sich förmlich auf. So verlockend solche Angebote und Dienstleistungen auch erscheinen mögen, jeder muss für sich selber entscheiden wie viel seiner Privatsphäre man dafür bereit ist aufzugeben.

In diesem Sinne: Ich geh jetzt Grillkohle einkaufen – bei Aldi!

Autor: Marc Pastuska

 

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